Nur Anpassung und Abgrenzung - wo bleibt der freundschaftliche Wettbewerb?


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Posted by Richard West on March 25, 1998 at 21:47:16:

In Reply to: Beim Großen Manitu posted by RoteHexe on March 23, 1998 at 12:39:44:

Liebe RoteHexe,

deine Beiträge in diesem Board sind schon deswegen wie Perlen, weil sie wirklich immer Problemkreise enthalten, die uns alle angehen und aus denen wir alle etwa mitnehmen können. Deine rethorische Verpackung der Themen (*lacht jetzt noch über*: "sie hat ihm ICQ verordnet") macht jedes Thema überdies angenehm zu lesen.
Glücklicherweise halt alma die Schlage und ihre Hintergründe schon brilliant, weil kompakt und schnörkellos auf den Punkt gebracht, dass ich mich auf einen einzigen Aspekt beschränken kann und Fingerkuppen spare. alma's Analyse gibt mir höchstens noch die Chance zu einer kleinen Erweiterung - ich unterschreibe ihren Beitrag vollinhaltlich und kann ihr nur dazu gratulieren.

Es ist immer dasselbe. Immer wieder laufen wir in dieselbe Falle und merken es erst, wenn es längst zu spät ist. Entweder Krieg oder Anpassung - der einzig praktikable Weg des gesunden Wettbewerbs im Miteinander fällt uns offensichtlich soooooo schwer. Und da liegt der Tumor der Liebe so oft begründet. Was ich meine? Nun, das ist schnell erklärt.
Wenn wir uns verlieben, sind wir besonders geneigt, es dem anderen recht zu machen - ihm zu gefallen. Der Schritt zurück, der uns sonst so schwerfällt, wird zu einem besonderen Prädikat des "ich hab dich lieb". Das geht nicht selten bis zur - wenn auch temporären - Selbstaufgabe. Der unvermeidliche Profilverlust wird vom Partner automatisch mit Ablehnung bestraft: "So wollte ich ihn nicht ... ich habe ihn doch ausgesucht, weil er ist, wie er ist ... nicht, weil er ist wie ich." Die gut gemeinte Anpassung an die Bedürfnisse und Verhaltensweisen des anderen wird zum tödlichen Bumerang für die Beziehung.

Andersherum wird auch ein Schuh draus. Abgrenzung um jeden Preis ist ebenso fatal. "Ich bin, wie ich bin, und das wirst du nie ändern ..." Die Angst davor, vom anderen umgekrempelt zu werden. Dominanz des einen Partners löst überdimensionale Abwehrkräfte beim andern aus. Schutzschirme werden auf maximale Energie geschaltet - die Klappe fällt. Jeder vermeintliche Einbruch in die Privatsphäre wird gnadenlos durch Aggression geahndet. Das Ergebnis, der Bruch, ist auch hier programmiert.

Aus beiden Extremen folgt unausweichlich:
Wir haben nur dann eine Chance auf eine dauerhafte Partnerschaft, die beiden etwas gibt und weder in Langeweile noch in "Waffenstillstand - bis unter die Zähne bewaffnet" ausartet, wenn wir uns darüber klar werden, dass eine Liebesbeziehung aus (mindestens *smile*) zwei Individuen besteht, die unbedingt und jeder für sich sie selbst bleiben müssen - und andererseits versuchen, am anderen, mit dem anderen zu wachsen. Übertriebene Anpassung und Abgrenzung - zwei tödliche Alternativen für die Liebe. Nur der gesunde und freunschaftliche Wettbewerb unter zwei Menschen, die sich mögen und respektieren wie sie sind, hat eine reelle Chance auf Bestand. Ich wundere mich oft, wie viele Beziehungen diesen Mittelweg, der alles andere als ein fauler Kompromiss ist, niemals finden und immer von der übertriebenen Anpassungs- in die übertriebene Abgrenzungsphase hin- und herpendeln. Das ist unglaublicher Streß für beide Partner und nervenzerrüttend - wird aber nicht selten über jahre und Jahrzehnte praktiziert. RoteHexe hat uns ein fast perfektes Beispiel dafür geliefert.

Wie oft habe ich mir schon gewünscht, jemand möge einen grossen Eimer voll Selbstbewusstsein über diesem Planeten ausgiessen und jedem Menschen eine gehörige Portion davon verpassen ... wir hätten am nächsten Tag kaum noch Probleme miteinander ...


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