Re: Frau kontra Mann?


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Posted by Artemis on November 13, 1998 at 10:56:58:

In Reply to: Re: Frau kontra Mann? posted by Ignaz on November 07, 1998 at 01:22:52:

Daß Politik im Sinn von Herrschaftsausübung Rücksichtslosigkeit erfordert, ist mir bewußt(siehe z.B. Tansu Ciller), deswegen ist die Behauptung gewisser Identitätsfeministinnen, Frauen an sich und in jeder Position seien die besseren Menschen, abzulehnen. Eine Frauenquote wird aber von den wenigsten PolitikerInnen aus dieser Überzeugung gefordert, sondern, weil Frauen nicht nur theoretisch das gleiche Recht, sondern auch die gleiche praktische Möglichkeit zur Rücksichtslosigkeit haben sollen.
Wenn sich in der Politik der Starke gegenüber dem Schwachen durchsetzt, handelt es sich dabei nicht um ein "unaufhebbares Naturgesetz", denn Naturgesetze gelten für physikalische, chemische und biologische Phänomene und finden auf sozialer Ebene ihre Grenzen. Wer sich letztendlich im Kampf um die Macht durchsetzt, hängt von, im Lauf der Geschichte geschaffenen Rahmenbedingungen ab, die durchaus veränderbar sind.
Um bei deiner Argumentation zu bleiben: einerseits gelangen die Stärksten an die Macht, andererseits sind sie aber auch die Neurotischsten....Macht über andere zu haben, bietet durchaus Vorteile. Läßt sich aus deiner Argumentation eine Forderung ableiten, Neurosen auszubilden? Oder ist die Macht an sich abzulehnen?
Eine Gesellschaftsform ist nie entweder ausschließlich Patriarchat oder ausschließlich Matriarchat; es gibt andere Gegensätze, die grundlegender sind, z.B. der Klassengegensatz oder Herrschaft aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten religiösen oder ethnischen Gruppe. Männer paktieren mit Frauen und umgekehrt, wenn es um Machterhalt für bestimmte, klar definierte Minderheiten geht, die Zugehörigkeit zur Kategorie "Mann" oder "Frau" ist zu weitläufig und zumindest in Deutschland nicht mehr ausschlaggebend. Deswegen lehne ich die Behauptung, ein Geschlecht unterdrücke zwangsläufig das andere, ab.
"Bisher hat es noch keine herrschaftsfreie Gesellschaftsform gegeben, also wird es auch keine geben", ist, selbst wenn die Behauptung richtig wäre, ein unzulässiger Analogieschluß.....die Kommunen von Paris und Kronstadt, der "kurze Sommer der Anarchie" in Spanien während des Bürgerkrieges, die Münchener Räterepublik und diverse weitere Experimente waren also keine herrschaftsfreien Gesellschaftsformen???
Wieso hat der Humanismus Hitler und Stalin ermöglicht? Gab es vorher keine Massenmörder bzw. welche theoretische Grundlage bietet der Humanismus für Verbrechen gegen die Menschlichkeit?
Deiner Behauptung, eine "Formulierung der Menschenrechte begünstige deren Verletzung" kann ich nicht zustimmen. Die Formulierung eines Ideals bewirkt nicht automatisch dessen Nichtbeachtung; Verstoß und Einhaltung des Ideals existierten schon, bevor beides in Worte gefasst wurde, Realität und Bezeichnung der Realität haben keinen zwingenden Zusammenhang, oder war die Erde, bevor Wissenschaftler zu einem anderen Ergebnis gekommen sind, eine Scheibe?


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