Liebe gnädige Frau!


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Posted by Prof. Ch. Kraut on September 29, 1998 at 21:13:17:

In Reply to: Klar doch! posted by biggy on September 29, 1998 at 11:24:36:

Liebe gnädige Frau,

Ihr Beitrag hat mich nun wirklich sehr gefreut. Endlich mal jemand der mich richtig interpretiert und auch vollinhaltlich verstanden hat. Nicht wahr, muß man da nicht immer wieder mahnend den Finger heben?! Sie wissen schon, welchen. Nicht den in der Mitte, sondern den links, von mir ausgesehen, den davor!

Ich habe mir meine bahnbrechendeUntersuchung nun wirklich nicht einfach gemacht. Erstmal mußte ich weit in die Menschheitsgeschichte zurückgehen. Zurück bis in die Zeit, zu der abends im Lendenschurz kleine Grüppchen vor dem Feuer hockten. Die Frauen fest den Blick auf ihren Gebieter geheftet und der Mann kauend und rülpsend auf die Zureichungen seiner ergebenen Frau wartend. Alle dumpf und stumpf ins Feuer starrend.Er grunzte, wenn alles in seinem Sinne verlief und die Frau gluckste vor Glück, wenn sie ihn behaglich grunzen hörte. Man war zufrieden. Später lag er noch ein Weilchen auf ihr und alles, alles hatte seine naturgewollte Ordnung.

Dies fand mehr oder weniger seine Fortsetzung bis in unsere heutige Zeit. Man hockte weiter abends gemeinsam, mit gleich stumpfen Blick nunmehr vor dem Fernseher. Er kaut, sie öffnet gekühltes Bier. Er grunzt wohlig und sie ist glücklich. Wenn er besonders gut drauf war, ging er noch ein paar Schritte "vor die (Kneipen)-Tür". Man hatte sich nicht allzuviel zu sagen. Dies besorgten die aus dem TV oder aus der Kneipe. War aber auch nicht nötig, denn bei den andern, war es `eh nicht anders.

Diese, liebe gnädige Frau, diese naturgewollte Ordnung gerät nun zunehmend aus den Fugen. Der PC - das Internet - Chat und Foren. Liebe Leute so geht das nicht!!!. I c h habe studiert wie sich Menschen zu verhalten haben. Da kann man nicht einfach nach der Arbeit, nochmal mit Lust und Freude in einer kommunikativen Sache aktiv werden. Man hat da, wie zu alter guter Zeit, vor sich hinzudösen. Den Feierabend zu genießen, meinethalben auch begießen.

Nur noch mal mit Spaß an der Sache, aktiv werden, nein, nein so geht das nicht. Also Verhaltensforschung!. Fragebogen entwickelt - mehrere!!. Mein Team im Schichtdienst eingesetzt. Es klappte. 100 Familien erhielten freien Internet-Zugang. Mußten täglich ihren Fragebogen ausfüllen. Wurden zu jeder Tageszeit angerufen, überprüft und mit Nachfragen bei der Sache gehalten. Mein Team arbeitete rund um die Uhr. Ich kann Ihnen sagen, liebe gnädige Frau, zum Schluß hatten wir sie alle soweit.

Sie wollten wieder vor ihre Glotze. Sie wollten ihre Ruhe. Ihr Bier und keine Fragebogen, keine Interviews, keine Anrufe, keine Vorhaltungen.

Um so größer nun meine Freude, da ich sehe, wie Sie selbst ohne meine Mitwirkung diese Basis- Erkenntnis gewonnen haben:

INTERNET MACHT TRAURIG!

Traurig weil man eben nicht dem TV-Stumpfsinn und die Kneipenseeligkeit und den Kater danach genießen kann, sondern anregende chatgespräche oder Forendiskussionen führen will/muß/kann.

Eigenartig ist nur: Bei mir im Büro herrscht seit man Ihren Artikel gelesen hat eine seltsam heitere Stimmung vor.??? Man gluckst und kichert.

Sollte ich da was falsch verstanden haben? Vielleicht sollte ich selbst es auch mal eine Woche versuchen, mir eine echte chat- foren- und internet-Depression einzufangen.

Aber bitte, ich darf mich doch dann an Sie, liebe gnädige Frau wenden, wenn dann vielleicht doch wider Erwarten mir das ganze Spaß machen sollte. Dies könnte dann in der Tat, bei m i r eine schwere Depression auslösen. Denn: wer irrt sich denn schon gern?

(Und dann geht´s mir vielleicht wie jetzt meinem Namens-Schwager den Kohl; wegen spät festgestellter Inkompetenz des Amtes enthoben.)

Ihr .......Ch. Kraut.


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