Etwas differenzierter diesmal ...


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Posted by Richard West on August 13, 1998 at 17:57:38:

In Reply to: Leider... posted by biggy on August 13, 1998 at 10:51:19:

Was der Laie intuitiv befürchtet, glaubt die Graphologie wissenschaftlich nachgewiesen zu haben: Die Handschrift sagt etwas über die Persönlichkeit des Schreibers aus. Danach lassen sich von charakteristischen Merkmalen wie Größe, Schreibdruck, Fülle und Magerkeit des Schriftbildes Rückschlüsse auf die Stabilität, Vitalität oder das soziale Verhalten des Schreibers ziehen. Seit den dreißiger Jahren haben Wirtschaftsunternehmen diesen vermeintlichen Zusammenhang zwischen "Handschrift und Charakter", so der Titel der graphologischen Grundlagenschrift des Philosophen und Psychologen Ludwig Klages, bei der Personalauswahl genutzt. In den sechziger Jahren jedoch trat das graphologische Gutachten aus den Verfahren zur Auswahl neuer Mitarbeiter zusehends seinen Rückzug an. Das hat nicht nur mit den zahlreichen neuen Testverfahren zu tun, nach denen die Eignung eines Bewerbers geprüft werden kann, sondern auch mit den Zweifeln an der tatsächlichen Aussagekraft der sogenannten Schriftpsychologie.
Umfragen zufolge nutzen noch zwischen 15 und 20 Prozent der Personalchefs - vornehmlich von mittelständischen Unternehmen - die Ergebnisse der Graphologen. Und wer der in einer Stellenanzeige gewünschten Forderung nach einem handschriftlichen Lebenslauf oder einer anderen
Schriftprobe nachkommt, gibt damit sein Einverständnis zu einem graphologischen Gutachten, wie das Münchener Arbeitsgericht entschieden hat. "Firmen, die auf die Schriftanalyse zurückgreifen, haben die Erfahrung gemacht, daß sie Bereiche abdeckt, die herkömmliche Tests nicht erfassen", erklärt der Berliner Graphologe Peer D. Lochmann, der Gutachten für Betriebe erstellt. Zu den Merkmalen, die Lochmann zu erkennen glaubt, gehört beispielsweise die Art der Willensstärke eines Bewerbers: "Es läßt sich herausfinden, ob es sich um den Willen zur Macht, zum rücksichtslosen Durchsetzen oder um den Willen zur Gestaltung handelt." Auch die für Firmen tätige Graphologin Sulamith Samuleit hebt den Aussagewert der Handschrift hervor: "Sie gibt beispielsweise Aufschluß darüber, ob der Schreiber besser im Alleingang oder im Team arbeitet, ob seine Stärken in den guten Einfällen oder in der soliden Durchführung liegen."
Die Ansichten über dieses Thema gehen auseinander. In einem aber sind sich alle einig - einige fanatisch-ideologische Graphologen einmal abgezogen: Das Schrift bild ALLEIN sagt fast gar nichts über einen menschen - als Komplementärfunktion allerdings möglicherweise schon.

Richard West


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