In Reply to: Internet verändert die Politik grundlegend posted by Richard West on June 17, 1998 at 00:01:12:
Seitdem yin mich verleitet hat, mich hier mal wieder umzuschauen, werde ich ja gleich mal meinen Sermon zugeben muessen ;-)
Direkte Demokratie - denn darauf laeuft es hinaus - ueber das Netz: Ein verlockender Gedanke! Aber mit der implizierten Gefahr, der _jeder_ direkten Demokratie innewohnt: Laesst sich damit arbeiten und ist eine Durchsetzung des "Volkswillen" ueberhaupt wuenschenswert?
Eine Abstimmung zum Wohle Aller setzt voraus, dass sich _jeder_ mit der Materie, um die es geht auskennt. Zudem muessen _alle_ in der Demokratie verwurzelt sein, da sonst der Moeglichkeit einer "unfriendly take-over" Tor und Tuer geoeffnet wird. Ausserdem fiele es wesentlich schwerer, unpopulaere Entscheidungen zu treffen, wie z.B. sinnvolle Steuererhoehungen o.ae. Eine viel staerkere Polarisierung der Bevoelkerungsgruppen waere die Folge. Man nehme die Beispiele Subventionen oder Renten Es bietet sich doch an, die betroffenen Gruppen gegeneinander auszupielen, oder?
Wie ist es mit der Verletzung der rechtsstaatlichen Prinzipien: In Zeiten von Terror oder Kinderschaendugen haette eine Petition zur Abschaffung des Art 102GG "Die Todesstrafe ist abgeschafft." eine 99% Aussicht auf Erfolg. Ist dies wirlich erstrebenswert? Werden hier nicht demokratische und humanistische Ideale auf dem Altar des Populismus geopfert?
Wozu eine populistische Anwendung direkter Demokratie fuehrt zeigen uns die amerikanischen primaries, die Vorwahlen: Obwohl im Ansatz sehr basisdemokratisch, moechte ich bezweifeln, dass dort wirklich die "besten" Kandidaten ausgewaehlt werden Derjenige, der der maechtigsten Klientel nach dem Munde redet, macht das Rennen...
Ich sage nicht, dass unser System das Gelbe vom Ei ist - wahrhaftig nicht! Aber das Problem ist aehnlich gelagert, wie es oben schon in der Diskussion ueber den Verfall der "normalen" Chats anklang: Die Dummheit und Ignoranz zieht auch in das Netz ein. Traurig, aber wahr. Einen Demokratie-"Fuehrerschein" kann man ja auch nicht einfuehren - dies waere ja eine eklatante Verletzung der demokratischen Grundprinzipien.
Im Zuge der obigen Ueberlegung halte ich eine indirekte Demokratie, fuer die einzig praktikable Form der Demokratie, fuer einen Garanten einer demokratisch-freiheitlichen Grundordnung.
Ich hoffe einen akzeptabeln Diskussionbeitrag zum Einstieg geleistet zu haben, ich werde hier jetzt haeufiger vorbeischauen,
jester
P.S. Fuer die weitere Lektuere schaut unter
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